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EuGH stärkt Kunden den Rücken im Abgasskandal – nahezu alle Hersteller betroffen

EuGH: Vorsatz und Sittenwidrigkeit nicht zwingend Voraussetzung für eine Haftung der Fahrzeughersteller im „Diesel-Abgasskandal“

Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 21. März 2023 zur Rechtssache C-100/21 klargestellt, dass Art. 18. Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Rahmenrichtlinie in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 dahin auszulegen sind, dass sie neben allgemeinen Rechtsgütern die Einzelinteressen des Erwerbers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützen, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgestattet ist. Diese Frage hat der Bundesgerichtshof bislang anders beurteilt und verlangt, dass die betroffenen Fahrzeugkäufer nachweisen müssen, dass der Fahrzeughersteller bei der Verwendung der Abschalteinrichtung(en) vorsätzlich und sittenwidrig gehandelt hat. Naturgemäß ist dies mangels Einblicke in die internen Vorgänge für die betroffenen Kunden nur eingeschränkt möglich.

Durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs steht nun fest, dass die Typengenehmigungsvorschriften drittschützende Wirkung haben und damit als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zu bewerten sind. Daher sollte es künftig ausreichen, nachzuweisen, dass der Fahrzeughersteller bei der Verwendung der Abschalteinrichtung(en) fahrlässig gehandelt hat. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs führt zu einer deutlichen Vereinfachung der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen im Zusammenhang mit dem Abgasskandal. Erforderlich bleibt weiterhin der Nachweis des Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung und eines Schadens beim Kunden.

Die Auswirkungen auf die nationale Rechtsprechung wird der Bundesgerichtshof in seiner mündlichen Verhandlung am 8. Mai 2023 erörtern. Es bleibt abzuwarten, wie der Bundesgerichtshof die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bei seiner künftigen Rechtsprechung berücksichtigen wird.

Es lohnt sich für Automobilbesitzer, Ansprüche gegen den Hersteller durch einen Fachanwalt für Verkehrsrecht prüfen zu lassen. Sprechen Sie unseren Kollegen Matthias Süss gerne an.