Arbeitsende nach langer Krankheit – Urlaubsabgeltung als Trostpflaster ?
Der Fall ist nicht selten im deutschen Arbeitsleben: Nach einer oft langen Betriebszugehörigkeit erkrankt ein/e Mitarbeiter/in ernsthaft, fällt dadurch Monate oder Jahre aus. Der Arbeitgeber, vor der Erkrankung mit der Leistung stets zufrieden, spricht eine Kündigung aus, weil der Arbeitsplatz mit einer Vertretung aus seiner Sicht gut besetzt ist und er Planungssicherheit für die Zukunft haben will. Wenn die gesundheitliche Prognose für den erkrankten Mitarbeiter ungünstig ist, wird diese Kündigung zum Ende des Arbeitsverhältnisses führen. Nicht anders ist es, wenn die Krankheit zur Erwerbsunfähigkeit mit entsprechender Rente führt und der Arbeitsvertrag aus diesem Grund beendet wird. Der während der Krankheit angefallene Urlaub ist nach der frühren Rechtslage verfallen, stellt heute aber einen nicht zu vernachlässigenden Wertfaktor dar und verdient Ihre Aufmerksamkeit.
Mit einer Entscheidung, die in juristischen Kreisen für viel Aufsehen gesorgt hat, hat der EuGH im Januar 2009 entschieden, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch nicht erlischt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres bzw. Übertragungszeitraumes wegen Erkrankung arbeitsunfähig war. Endet das Arbeitsverhältnis dann, ohne dass der Arbeitnehmer vorher die Gelegenheit hatte, den angesammelten Urlaub in Natur zu nehmen, so muss ihm dieser ausbezahlt werden. Bei längerer Erkrankung kann es sich dabei um erhebliche Beträge handeln. Völlig zu Unrecht hat diese Entscheidung, die die deutschen Gerichte aufgegriffen und vertieft haben, noch nicht die nötige Beachtung bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern gefunden.
Der EuGH hat mit seinem Urteil nur den gesetzlichen Urlaubsanspruch von 4 Wochen behandelt. Das Bundesarbeitsgericht hat den Abgeltungsanspruch inzwischen auch auf den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Mitarbeiter ausgedehnt. Ist durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag ein weiterer Urlaubsanspruch gegeben, so lohnt ein Blick auf die Einzelheiten der Regelung. Zwar darf für den Zusatzurlaub eine Übertragbarkeit ausgeschlossen werden, die dann auch dem Urlaubsabgeltungsanspruch entgegenstünde. Das gilt aber nur, wenn die schriftlichen Bestimmungen für das Arbeitsverhältnis zumindest eine Trennung und unterschiedliche Behandlung für den gesetzlichen und den zusätzlichen vertraglichen Urlaub erkennen lassen. Bei Tarifverträgen wird dies häufig der Fall sein, nicht aber bei Individualarbeitsverträgen.
Zahlreiche Fragen rund um die Urlaubsabgeltung sind noch offen und werden kontrovers diskutiert. Sind Verfallsklauseln im Arbeits- oder Tarifvertrag einzuhalten oder verjähren die Abgeltungsansprüche nach drei Jahren? Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist Eile ebenso geboten wie eine sorgfältige und fachkundige Überprüfung dieses Anspruches. Hätte der Urlaub vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwar genommen werden können, hat der Arbeitgeber aber den angemeldeten Urlaub abgelehnt, so hat der Arbeitnehmer einen Schadenersatzanspruch, der vom Inhalt dem Urlaubsabgeltungsanspruch entspricht. In beiden Fällen sollten eventuell geltende Verfallsfristen unbedingt eingehalten werden. Zur alten Rechtslage konnte nach geltender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Urlaubsanspruch nicht verfallen. Nach der Bestätigung der Übertragbarkeit durch den EuGH vertreten etliche Gerichte nun die Auffassung, dass dieser Anspruch wie jeder andere Anspruch behandelt werden dürfe, also nach Beschäftigungsende auch verfalle. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat in einer von uns erstrittenen Entscheidung die Verfallsklausel nicht für anwendbar gehalten. Höchstrichterlich ist diese Frage ebenso wenig entschieden wie das Problem der Verjährung.
Nicht selten muss ein Arbeitsverhältnis beendet werden, weil beim Mitarbeiter nach längerer Krankheit eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit festgestellt wird und schließlich Erwerbsunfähigkeitsrente bezahlt wird. Diese Eu-Rente ist häufig zunächst befristet gewährt worden. Das Arbeitsverhältnis selbst endet in diesen Fällen – von Ausnahmen abgesehen – nicht automatisch mit der Rentenbewilligung. Wird es dann aber durch Vereinbarung oder Kündigung beendet, stellt sich ebenfalls die Frage nach einer Urlaubsabgeltung. Grundsätzlich hindert die zur gänzlichen oder teilweisen Erwerbsunfähigkeit führende Erkrankung die Entstehung von Urlaubsansprüchen nicht. Die nach der Art der Erkrankung und dem Umfang der Einschränkung nicht differenzierende Arbeitsunfähigkeit löst den Urlaubsanspruch aus.
Sie ist zu unterscheiden von der Erwerbunfähigkeit, welche einzelne Tätigkeiten, unter Umständen gerade im beruflichen Tätigkeitsbereich des Erkrankten, durchaus zulassen kann. Deshalb besteht Einigkeit darüber, dass mindestens während einer zeitlich befristeten oder gar nur teilweise gegebenen Erwerbsunfähigkeit der Urlaubsabgeltungsanspruch entsteht. Im Einzelnen sind aber auch hier viele Fragen noch offen. Bspw. sehen die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst eine automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei einer endgültigen Erwerbsminderung vor und ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses bei einer zeitlich befristeten Rente. In einer solchen Ruhensphase würden dann keine Urlaubsabgeltungsansprüche entstehen. Die Wirksamkeit dieser tarifvertraglichen Regelungen wird inzwischen aber stark angezweifelt und eine Ablehnung des Arbeitgebers in derartigen Fällen sollte also nicht ungeprüft hingenommen werden.
Während Arbeitgeber also ein Interesse daran haben müssen, ein wegen dauerhafter Erkrankung nicht mehr aufrechtzuerhaltendes Arbeitsverhältnis möglichst rasch zu beenden, muss der von diesem Schicksal betroffene Mitarbeiter zumindest die bei Beendigung verbleibenden Urlaubsabgeltungsansprüche sorgfältig prüfen und rechtzeitig geltend machen. Damit verbietet sich für den ausscheidenden Mitarbeiter auch jede Aufhebungsvereinbarung, die diese Ansprüche nicht angemessen berücksichtigt.
Rechtsanwalt Michael Zerfowski
Fachanwalt für Arbeits- und Verkehrsrecht
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