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Augen auf bei Gebrauchtwagenverkauf

Unterschiedliche Rechtslage bei Angaben des gewerblichen Verkäufers gegenüber Privatverkäufer zur Laufleistung eines Gebrauchtwagens.

Wie der Gerichtsalltag zeigt, führen Gebrauchtwagenverkäufe häufig zu rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen Käufer und Verkäufer. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) grundsätzlich danach zu unterscheiden, ob der Verkäufer ein Gebrauchtwagenhändler oder eine Privatperson ist. Handelt es sich bei dem Verkäufer um einen Gebrauchtwagenhändler, so ist die Interessenlage typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass der Käufer sich auf die besondere, ihm in aller Regel fehlende Erfahrung und Sachkunde des Händlers verlässt. Er darf darauf vertrauen, dass der Händler für Erklärungen zur Beschaffenheit des Fahrzeuges, die er in Kenntnis dieses Umstandes abgibt, die Richtigkeitsgewähr übernimmt. Der BGH hat deshalb in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass der Kaufinteressent den Angaben des Gebrauchtwagenhändlers über die Laufleistung des Fahrzeuges besonderes Vertrauen entgegenbringt und davon ausgehen darf, der Händler wolle sich für die Kilometerangabe „stark machen“, mithin zusichern, d.h. garantieren, dass die bisherige Laufleistung nicht wesentlich höher liegt als die angegebene.

Wolle der Händler für die von ihm angegebene Laufleistung nicht einstehen, müsse er dies gegenüber dem Käufer hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen, indem er etwa darauf hinweist, dass er die Laufleistung nicht überprüft habe. So BGH-Urteil vom 13.05.1998, XIII ZR 292/97.

Diese, für den gewerblichen Gebrauchtwagenhandel entwickelten Grundsätze, wonach es sich bei der Erklärung eines gewerblichen Gebrauchtwagenhändlers nicht nur um eine bloße Beschaffenheitsangabe, sondern eine Eigenschaftszusicherung i.S.d. Kaufrechtes zu verstehen sei, lässt sich jedoch nach der Entscheidung des BGH vom 29.11.2006, Az. XIII ZR 92/06 nicht auf den privaten Direktverkauf übertragen.

Auf solche Privatverkäufe trifft nämlich nach Ansicht des BGH die für den gewerblichen Verkauf maßgebliche Überlegung, dass der Käufer sich auf die besondere Erfahrung und Sachkunde des Händlers verlässt und in dessen Erklärungen daher die Übernahme einer Garantie sieht, in der Regel nicht zu. Hier stehe vielmehr dem Interesse des Käufers gleichgewichtig das Interesse des Verkäufers gegenüber, für nicht mehr als dasjenige einstehen zu müssen, was er nach seiner laienhaften Kenntnis beurteilen kann. Der Käufer könne deshalb nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass der Verkäufer als Laie nachprüfen kann, ob der Tachometerstand die Laufleistung des Fahrzeuges zutreffend wiedergibt. Allein aus der Angabe der Laufleistung könne nämlich der Käufer beim Privatverkauf eines Gebrauchtfahrzeuges daher nicht schließen, der Verkäufer wolle für die Richtigkeit dieser Angaben unter allen Umständen einstehen und ggf. auch ohne Verschulden auf Schadenersatz haften. Von der Übernahme einer Beschaffenheitsgarantie dürfe der Käufer unter diesen Umständen deshalb grundsätzlich auch dann nicht ausgehen, wenn der Verkäufer nicht zum Ausdruck gebracht hat, dass er für die angegebene Laufleistung nicht einstehen will.

Der BGH gibt jedoch im Weiteren für den Käufer beim privaten Gebrauchtwagenkauf eine Art „Handlungsanweisung“. Wolle der Käufer bei einem solchen Kauf für die Laufleistung des Fahrzeuges eine Garantie haben, müsse er sich diese regelmäßig ausdrücklich von dem Verkäufer geben lassen. Von einer stillschweigenden Gebrauchtgarantieübernahme könne beim Privatverkauf eines Gebrauchtfahrzeuges nämlich nur dann ausnahmsweise auszugehen sein, wenn über die Angabe der Laufleistung hinaus besondere Umstände vorlägen, die bei dem Käufer die berechtigte Erwartung wecken, der Verkäufer wolle für die Laufleistung des Fahrzeuges einstehen. Eine solche stillschweigende Garantieübernahmeerklärung könne bspw. gegeben sein, wenn der Verkäufer bei den vorvertraglichen Verhandlungen auf ausdrückliche Nachfrage erklärt, die Gesamtfahrleistung des Fahrzeuges stimme mit dem Tachometerstand überein oder wenn der Verkäufer sich als Erstbesitzer bezeichnet. Denn auf die Kilometerangabe eines Verkäufers, der sein Fahrzeug vom „Tachostand Null“ kennt, dürfe der Käufer in aller Regel vertrauen.

Obgleich der BGH im vorliegenden Falle eine Garantie des Verkäufers ablehnte, gab er der Zahlungsklage des Käufers gegen Rückgabe des Motorrades dennoch statt, wobei er sich eines juristischen Kunstgriffes bediente, indem er durch die Vertragsauslegung zu dem Schluss gelangte, dass sich der Haftungsausschluss nicht auf die Beschaffenheitsvereinbarung erstreckt.

Dieses Kunstgriffes hätte es nach der obergerichtlichen Rechtsprechung bei einem Kauf durch einen gewerblichen Gebrauchtwagenhändler nicht bedurft. Dieser hätte aufgrund der Garantieerklärung ohne Einschränkung gehaftet mit der Folge, dass der Käufer von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch machen konnte.

Wie die Ausführungen zeigen, birgt selbst ein alltägliches Geschäft wie der Gebrauchtwagenverkauf juristisches Konfliktpotential, dessen Bewältigung entsprechende fachliche Kenntnisse verlangen, deren Vorhandensein die Befugnis zur Führung des Titels eines Fachanwaltes für Verkehrs- oder Versicherungsrecht ausweist.

Rechtsanwalt Peter Schäufele
Kanzlei RAe Schäufele & Zerfowski
Fachanwälte für Versicherungs & Verkehrsrecht