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Kinderwunsch unerfüllt?

Paaren, denen dieser Wunsch unerfüllt bleibt, kann die künstliche Befruchtung zum Wunschkind verhelfen.

Mit der Kostenerstattung für diese medizinischen Maßnahmen hat sich der Bundesgerichtshof mehrfach befasst und mit seinem „Zweitkinderurteil“ vom 21.09.2005 die grundsätzliche Erstattungspflicht der privaten Krankenversicherung für die In-Vitro-Fertilisation (IVF) anerkannt.

Im Streitfalle konnte der privat krankenversicherte Ehemann auf natürlichem Wege keine Kinder zeugen. Es gelang dann im dritten Zyklus einer IVF-Behandlung, mit der damals 37-jährigen Ehefrau eine Schwangerschaft herbeizuführen, die mit der Geburt eines gesunden Sohnes endete. Die Eheleute wünschten sich ein zweites Kind und unterzogen sich drei bzw. vier Jahre später zwei weiteren Behandlungszyklen, deren Kostenerstattung die Versicherung verweigerte, was vom OLG München Bestätigung fand. Dies aber sah der BGH anders, welcher die Kosten für zwei weitere Behandlungsmaßnahmen grundsätzlich anerkannte. Dabei bejahte der BGH, trotz erfolgter Zeugung in der Sterilität des Klägers, eine Krankheit, an der sich auch nach der Geburt eines Kindes nichts ändere, wobei die IVF-Behandlung eine Heilbehandlung des kranken Klägers darstelle.

Im Weiteren führt der BGH aus, dass der Kinderwunsch als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechtes von Ehegatten, ein gemeinsames Kind zu haben, jeder rechtlichen Nachprüfung auf seine Notwendigkeit entzogen ist. Sodann wird klargestellt, dass die IVF eine medizinisch anerkannte Behandlungsform zur Überwindung der Sterilität darstellt, deren weitere Voraussetzung eine Erfolgswahrscheinlichkeit von mindestens 15 % fordere. Prüfungsmaßstab ist dabei zunächst das Alter der Frau, welche nach Vollendung des 40. Lebensjahres diese Erfolgswahrscheinlichkeit nicht mehr erreiche. Darüber hinaus prüft der BGH individuelle Erfolgsaussichten, wobei zu berücksichtigen ist, ob eine frühere IVF-Behandlung erfolgreich war und ob dafür viele oder nur wenige Versuche erfolgreich waren. Der Streitfall sprach für die individuell mindestens 15 %-ige Erfolgswahrscheinlichkeit, weshalb der BGH die Behandlungskosten vor Vollendung des 40. Lebensjahres anerkannte.

Mit dieser Entscheidung rückte der BGH von seiner früheren Rechtsprechung ab, wonach ärztliche Behandlungskosten in angemessener Weise Rücksicht auf den Versicherer und die Versicherungsgemeinschaften nehmen müsse, weshalb der Versicherer ganz unverhältnismäßige Kosten nicht zu erstatten brauche. Denn ausreichender Schutz und Regulativ der Kostenbeschränkung sei regelmäßig die ausreichende Erfolgsaussicht, welche bei Häufung erfolgloser Behandlungen zu einer negativen Erfolgsprognose führe. In der Entscheidung ist also nicht mehr die Rede davon, dass für wiederholte Fertilisationsversuche neben der hinreichenden Erfolgswahrscheinlichkeit mit Rücksicht auf die Versicherergemeinschaft Grenzen nach dem Gebot von Treu und Glauben gesetzt sind. Vielmehr sieht der BGH die Grenzen in der im fortschreitenden Lebensalter der Frau sinkenden Erfolgsaussicht, die zu einer übermäßigen Inanspruchnahme führen könnte.

Daraus folgt, dass dem Versicherten nicht mehr entgegengehalten werden kann, er habe bereits ein oder mehrere Kinder künstlich oder natürlich gezeugt. Letzteres kann die Rechtspositionen des VN sogar stärken, wenn frühere Behandlungen erfolgreich waren, da diese persönlichen Faktoren bei der Prüfung der Erfolgswahrscheinlichkeit zu berücksichtigen sind.

Nach der in Fachkreisen herrschenden Rechtsauffassung ist diese Grenze nach sechs erfolglosen Behandlungen erreicht.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofes betroffenen Paaren die Türe zur Erfüllung des Kinderwunsches weit öffnet.

Dem stehen die Bemühungen der Versicherer entgegen, die nicht unerheblichen Behandlungskosten von der Teilkostentragung des Versicherers der mitbehandelten gesunden Ehefrau abhängig zu
machen. Diesem rechtlich unbegründeten Verlangen kann mit qualifizierter anwaltlicher Hilfe erfolgreich begegnet werden. So kann also auch der Versicherungsfachanwalt einem kinderlosen Paar zur Erfüllung des Lebenswunsches verhelfen.

Peter Schäufele
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungs- und Erbrecht