Nutzungsausfallsentschädigung nach Unfall auch bei längeren Reparaturzeiten

Zurück zur Übersicht

Nutzungsausfallsentschädigung nach Unfall auch bei längeren Reparaturzeiten

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte im Urteil vom 9. März 2021, Az. I-1 U 77/20 zu entscheiden, ob auch bei längeren Reparaturzeiten nach einem Verkehrsunfall der Schädiger für die gesamte Reparaturdauer Nutzungsersatz schuldet. Der Kläger hatte eine Nutzungsausfallentschädigung für mehr als 100 Tage gefordert, da es während der Reparatur zu erheblichen Lieferverzögerungen eines bestimmten Ersatzteils (Airbag-Modul) gekommen war. Es stellte sich daher die Frage, zu wessen Lasten eine solche Verzögerung geht.

Der erkennende Senat hat zutreffend geurteilt, dass Verzögerungen bei der Durchführung der Reparatur, die nicht vom Geschädigten zu vertreten sind, zu Lasten des Schädigers gehen. Die Reparaturwerkstatt ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten. Der Schädiger kann den Anspruch nur dann mindern, wenn dem Geschädigten selbst eine Verletzung der Schadensminderungspflicht vorzuwerfen ist, wie zum Beispiel die Beauftragung einer für ihn erkennbar nicht ausreichend leistungsfähigen Werkstatt, z.B. einer Werkstatt, die unmittelbar vor Antritt ihrer Betriebsferien steht o.ä..

Grundsätzlich gilt nach einem Unfall selbst bei vollständiger Haftung des Unfallgegners, dass der Geschädigte den Schaden so gering wie möglich halten muss. Verstößt der Geschädigte gegen die Pflicht zur Schadensminderung, trifft ihn ein Mitverschulden an der Höhe des Schadens. So ist beispielsweise der Geschädigte gehalten, den Schädiger über einen ungewöhnlich hohen Schaden oder den Umstand, dass er kein Ersatzfahrzeug aus Eigenmitteln finanzieren kann, zu informieren.

Im vorliegenden Fall hat das Gericht ein solches Verschulden des Geschädigten nicht feststellen können. Insbesondere war der Geschädigte nicht verpflichtet, eine markengebundene Fachwerkstatt mit der Reparatur zu beauftragen, weil er keinerlei Anhaltspunkte dafür gehabt habe, dass die beauftragte Firma nicht in der Lage sein würde, die Reparatur entsprechend den Vorgaben des Sachverständigengutachtens zügig durchzuführen. Das Gericht stellte zudem fest, dass der Geschädigte nicht verpflichtet war, selbstständig bei anderen Werkstätten oder gar beim Fahrzeughersteller nach der Verfügbarkeit der Ersatzteile zu fragen, sondern sich darauf verlassen durfte, dass die Reparaturwerkstatt sich unter Ausschöpfung aller verfügbaren Möglichkeiten um die zeitnahe Beschaffung der Ersatzteile bemühen würde. Ferner wurde entschieden, dass der Geschädigte auch nicht gehalten war, sich mit einer Teilreparatur des Fahrzeuges zufrieden zu geben. Die Besonderheit lag darin, dass es sich bei dem fehlenden Teil um ein Airbag-Modul gehandelt hatte, weshalb sich auch die Frage der Verkehrssicherheit stellte. Als technischer Laie – so das Gericht – musste der Geschädigte auch nicht davon ausgehen, dass er im Falle der Beschädigung einer sicherheitsrelevanten Komponente des Fahrzeuges wie einem Airbag auch auf die Reparatur verzichten und das Fahrzeug ohne diese Komponente nutzen konnte. Das wäre dem Geschädigten nicht zumutbar gewesen, da er rechtliche Nachteile im Falle einer Überprüfung des Fahrzeuges oder im Falle eines weiteren Unfalles zu befürchten gehabt hätte.

Die Entscheidung zeigt klar auf, dass nicht sämtliche Einwände des Schädigers oder dessen Haftpflichtversicherers ungeprüft hingenommen werden sollten. Es ist stets die Besonderheit des Einzelfalles zu berücksichtigen. Daher empfiehlt es sich im Falle eines unverschuldeten Verkehrsunfalls, auch wenn die Haftungsfrage unstreitig sein sollte, einen auf das spezialisierten Fachanwalt für Verkehrsrecht mit der Schadensregulierung zu beauftragen.