Rechtsschutzversicherungsfall: Rechtsschutzversicherungsbedingungen, die auch den gegnerischen Vortrag berücksichtigen, sind unwirksam

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Rechtsschutzversicherungsfall: Versicherungsbedingungen, die auch den gegnerischen Vortrag berücksichtigen, sind unwirksam

Mit Urteil vom 31. März 2021, IV ZR 221/19, entschied der BGH über eine von nicht wenigen Rechtsschutzversicherungen in neueren Versicherungsbedingungen verwendete Definition des Rechtsschutzversicherungsfalls, welche zu Lasten des Versicherungsnehmers auch den Vortrag des Gegners für berücksichtigungswert erachtete.

Konkret hatte der BGH zu folgender Klausel geurteilt:

„§ 4 Voraussetzung für den Anspruch auf Versicherungsschutz

Der Versicherungsfall ist

  1. in allen anderen Fällen zu der Zeit, zu dem Sie oder ein anderer (z. B. der Gegner oder ein Dritter) gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften verstoßen hat oder verstoßen haben soll.

Hierbei berücksichtigen wir

  • alle Tatsachen (d. h. konkrete Sachverhalte im Gegensatz zu Werturteilen),
  • die durch Sie und den Gegner vorgetragen werden,
  • um die jeweilige Interessenverfolgung zu stützen.

…“

Der BGH entschied, dass, soweit auf die Worte „und den Gegner“ für die Bestimmung des Versicherungsfalls auch auf den gegnerischen Tatsachenvortrag abgestellt wird, dies den Versicherungsnehmer entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, weshalb die Klausel unwirksam ist.

Damit bestätigte der BGH bei der Bestimmung des Rechtsschutzversicherungsfalls erneut seine versicherungsnehmerfreundliche Rechtsprechung. Bereits mit Urteil vom 25. Februar 2015, IV ZR 214/14, hatte er dargelegt, dass allein die Sicht und der Tatsachenvortrag des Versicherungsnehmers, nicht jedoch dessen Gegners, für die Bestimmung des Versicherungsfalls zu berücksichtigten ist.

Auswirkungen hatte die Rechtsschutzversicherungsbestimmung, soweit auch der Vortrag des Gegners zu berücksichtigen war, auf die Frage, wann ein konkreter Versicherungsfall eingetreten ist. Oftmals argumentierten die Versicherungen damit so, dass der Versicherungsfall vor Abschluss des Rechtsschutzversicheurngsvertrages eingetreten sei, weshalb die Versicherung keine Zahlung leisten oder keine Deckung erteilen müsse. Dieser zeitlichen Steuerung zu Gunsten der Rechtsschutzversicherung wurde somit erneut eine Absage erteilt, denn letztlich handelt es sich bei der oben genannten, recht jungen Formulierung der Rechtsschutzversicherungsbedingung um den Versuch der Versicherungswirtschaft, die Rechtsprechung des BGH aus dem Jahr 2015 zu Lasten des Versicherungsnehmers zu umgehen.

Fazit: Sofern sich Ihre Rechtsschutzversicherung weigert, Deckung zu erteilen, weil sie auf den Vortrag des Gegners abstellt, ist Vorsicht geboten. Eine solche Deckungsablehnung sollte nicht ungeprüft hingenommen werden. Die Rechtsprechung des BGH zeigt erneut auf, wie sehr versicherungsnehmerfreundlich Versicherungsbedingungen im Lichte der höchstrichterlichen Rechtsprechung auszulegen sind.