Zurück zur Übersicht

Wichtige aktuelle Entscheidungen zum Arbeitsrecht

1. Sperrzeit bei Aufgabe des unbefristeten Arbeitsverhältnisses zugunsten eines befristeten Arbeitsvertrags?

Kündigt der Arbeitnehmer selbst oder veranlasst er durch arbeitsvertragswidriges Verhalten den Arbeitgeber zur Kündigung und führt dadurch vorwerfbar die Arbeitslosigkeit herbei, ohne dass er für sein Verhalten einen wichtigen Grund hatte, so erhält er für eine Sperrzeit von zwölf Wochen kein Arbeitslosengeld. Eine solche Sperrzeitentscheidung haben die Bundesagenturen für Arbeit bisher auch getroffen, wenn ein Arbeitnehmer mit Eigenkündigung in ein neues, allerdings befristetes, Arbeitsverhältnis überwechselte, dieses mit Auslauf der Befristung nicht verlängert und der Arbeitnehmer dadurch arbeitslos wurde. Eine bittere Folge in Zeiten, in denen in der freien Wirtschaft zunehmend befristete Arbeitsverträge angeboten werden – häufig mit der Aussicht oder Zusage auf anschließende Übernahme in ein festes Arbeitsverhältnis. Diese Praxis der Arbeitsagenturen hat das letztinstanzlich zuständige Bundessozialgericht nicht akzeptiert.

Der Fall:
Ein Arbeitnehmer mit Kündigungsschutz und unbefristetem Arbeitsvertrag hatte zugunsten einer besser bezahlten Tätigkeit mit günstigeren Arbeitszeiten selbst gekündigt und das neue Arbeitsverhältnis angetreten. Dieses war zunächst auf drei Monate befristet mit der Zusage auf voraussichtliche Verlängerung. Nach einer nochmaligen Befristung auf weitere vier Monate endete das Arbeitsverhältnis jedoch, der Arbeitnehmer wurde arbeitslos und erhielt einen Sperrzeitbescheid.
Das Bundessozialgericht hat die Entscheidung der Arbeitsagentur aufgehoben und darauf hingewiesen, dass den gesellschaftlichen Lebensverhältnissen mit ihrem zunehmenden Angebot von befristeten Arbeitsverhältnissen – die auch politisch gewollt seien – Rechnung getragen werden müsse. Tritt deshalb der Arbeitnehmer nach eigener Kündigung eine befristete Arbeitsstelle an, weil diese günstigere Bedingungen bietet, und liegen objektive Anhaltspunkte für eine spätere Umwandlung des befristeten in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vor, so steht dem Arbeitnehmer ein wichtiger Grund für die Eigenkündigung zur Seite. Ihm kann dann nicht der Vorwurf gemacht werden, schuldhaft die Arbeitslosigkeit herbeigeführt zu haben, wenn sich die Erwartung auf Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nicht erfüllt. BSG vom 26.10.2004, Az. B 7 AL 98/03 R

Konsequenz für den Arbeitnehmer: Bei beabsichtigtem Übertritt in ein befristetes Arbeitsverhältnis nach Eigenkündigung sollte Wert auf die Zusicherung des Arbeitgebers gelegt werden, dass die anschließende Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis beabsichtigt ist. Bei von vorne herein langer Befristung, z. B. zwei Jahre, dürfte sich das Problem (auch in Ansehung der jetzt beabsichtigten Ausdehnung der Probezeit auf maximal 24 Monate) kaum stellen.

2.
In einer aktuellen Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht zur arbeitsvertraglichen Verfallsklausel entschieden. In den meisten Tarifverträgen, aber auch in vielen Individualarbeitsverträgen wird bestimmt, dass beide Seiten ihre Ansprüche innerhalb kurzer Fristen von wenigen Wochen oder Monaten geltend machen müssen, sie ansonsten ersatzlos verfallen. Das gilt insbesondere für Ansprüche, die nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch offen sind, wie z. B. Urlaubsabgeltung, Überstunden etc. Häufig sind diese Bestimmungen als so genannte „zweistufige Ausschlussfristen“ geregelt, d. h. der Inhaber eines Anspruchs muss der anderen Seite seine Ansprüche zunächst schriftlich mitteilen und um Begleichung bitten. Reagiert die Gegenseite nicht oder lehnt ab, ist innerhalb einer weiteren Frist der Anspruch gerichtlich geltend zu machen. Hierzu hat das BAG nun entschieden, dass die vom Arbeitgeber gewählte Frist von vier Wochen deutlich zu kurz sei und ein Zeitraum von mindestens drei Monaten als angemessen anzusehen ist.

In derselben Entscheidung hat das Gericht weitere Fragen von grundsätzlicher Bedeutung beantwortet. So hat es den Arbeitsvertrag als einen Verbrauchervertrag und den Arbeitnehmer damit als Verbraucher im Sinne des Gesetzes angesehen. Das hat für Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber weitreichende Konsequenzen, weil die gesetzlichen Bestimmungen über allgemeine Geschäftsbedingungen Anwendung finden und vorformulierte Klauseln vom Gericht auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden können. Das gilt für ihrer Höhe nach überzogene Vertragsstrafen ebenso wie für die hier „gekippte“ Ausschlussfrist. Das Gericht hat auch darüber entschieden, dass eine als unwirksam festgestellte Vertragsklausel nicht auf einen wirksamen Kern reduziert oder auf die zulässigen Fristen angepasst werden kann; sie ist vielmehr insgesamt unwirksam.

Eine erfreuliche Folge für den Arbeitnehmer ist dabei die Begrenzung der Rechtsberatungskosten bei einer so genannten Erstberatung beim Rechtsanwalt: Die Erstberatung eines Verbrauchers ist auch bei hohem Streitwert auf einen Maximalbetrag von 190,00 EUR zzgl. Mehrwertsteuer beschränkt.
BAG vom 26.05.2005, Az. 5 AZR 572/04

Für Rechtsanwälte Schäufele & Zerfowski
Rechtsanwalt Michael Zerfowski