Zur Auslegung einer von Ehegatten angeordneten Erbfolge „bei einem gemeinsamen Tode“
Mit Beschluss vom 1. Dezember 2021, Az. 31 Wx 314/19 hatte das OLG München über die Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments zu entscheiden, in welchem die Klausel „bei einem gemeinsamen Tode“ verwendet wurde sowie eine Regelung zur Nach- bzw. Schlusserbschaft getroffen wurde.
Im vorliegenden Fall hatten die kinderlosen Eheleute sich in einem gemeinschaftlichen Testament zu gegenseitigen Alleinerben eingesetzt und auch eine Regelung für den Fall ihres gemeinsamen Todes getroffen. Konkret ordneten sie an: „Bei einem gemeinsamen Tode z.B. Unfall fällt der gesamte Nachlaß an unsere Nichte…“. Zudem hatten die Eheleute für den Fall, dass ein Ehepartner den anderen überlebt, angeordnet, dass „der überlebende Teil den Nacherben allein [bestimmt]“. Tatsächlich verstarb der Ehemann zuerst. Nur zehn Tage später verstarb schließlich auch die Erblasserin.
In der Folge kam es zu der gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen der im obigen Testament benannten Nichte und den weiteren gesetzlichen Erben der Eheleute.
Das Testament der Eheleute trifft für den tatsächlich eingetretenen Fall des kurzeitig aufeinanderfolgenden Versterbens der Eheleute keine eindeutige Anordnung, sodass das Testament entsprechend dem Willen der Erblasserin und ihres vorverstorbenen Ehemannes auszulegen war. Maßgeblicher Zeitpunkt hierfür ist der Zeitpunkt der Testamentserrichtung.
Im Ergebnis bestätigte das OLG München die Entscheidung des Nachlassgerichts, dass die Nichte Alleinerbin der Erblasserin geworden ist. Die Auslegung des Testaments ergab, dass nach dem Willen der Eheleute die Nichte auch im Falle des zeitlichen Nacheinanderversterbens Alleinerbin werden sollte, falls der länger lebende Ehepartner vor seinem Tod nicht mehr in der Lage sein sollte durch ein weiteres Testament zu regeln, wer den Letztversterbenden beerben soll.
Indem sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben eingesetzt haben, haben sie die Erbfolge nach dem Tod des Erstversterbenden geregelt. Durch die Formulierung „Der überlebende Teil bestimmt den Nacherben“ haben sie die Erbfolge nach dem Versterben des überlebenden Ehegatten jedoch bewusst offengelassen. Mit „Nacherben“ waren vorliegend nach dem maßgeblichen Willen der Eheleute bei Testamentserrichtung – entgegen der insoweit missverständlichen Bezeichnung – wohl „Schlusserben“ gemeint. Ohne eindeutige Anordnung durch ein weiteres Testament hinge es damit vom Zufall ab, wer zuerst verstirbt und in der Folge, ob die Erben der Ehefrau oder des Ehemannes das gesamte Vermögen der beiden Eheleute erben.
Es stellte sich daher die Kernfrage, welchen Fall die Ehegatten durch die Klausel zu dem gemeinsamen Tod, beispielsweise einem Unfall, regeln wollten. Nach dem Wortlaut „gemeinsam“ scheint der Fall des gleichzeitigen Ablebens gemeint zu sein. Die Benennung des Beispielsfalls könnte ebenfalls dieses Verständnis stützen, da dem Beispiel ein gemeinsamer Lebenssachverhalt zugrunde liegt. Andererseits legt die beispielhafte Nennung des „Unfalls“ auch nahe, dass durch den „gemeinsamen“ Tod auch die Fälle erfasst sein sollten, in denen die Eheleute nacheinander versterben, es aber aufgrund der kurzen Zeitspanne oder aus anderen Gründen (wie z.B. Testierunfähigkeit) für den Längerlebenden nicht mehr möglich war durch eine weitere letztwillige Verfügung von Todes wegen eine Erbfolge zu bestimmen. Ob nach den konkreten Umständen tatsächlich der durch die Eheleute geregelte Ausnahmefall vorliegt oder aber ein weiteres Testament bewusst nicht verfasst wurde, ist eine Frage des Einzelfalls und bedarf daher der Überprüfung.
Der Fall zeigt deutlich, wie genau bei letztwilligen Verfügungen auf die Wortwahl zu achten ist, und eine rechlich nicht geprüfte letztwillige Verfügung unter Umständen zu unerwünschten Folgen führt.
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