Abgasskandal ohne Ende? Die Rechtsprechung des BGH
Im September 2015 wurde bekannt, dass die Volkswagen AG bei Dieselfahrzeugen mit dem Motor EA 189 eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer sogenannten Prüfstandserkennung verwendet hat. Seit diesem Zeitpunkt beschäftigt die Aufarbeitung des Skandals bundesweit nahezu sämtliche Gerichte. Trotz mittlerweile umfassender gerichtlicher Entscheidungen sind noch immer einige Detailfragen offen und noch nicht höchstrichterlich entschieden.
Eine der bislang noch offenen Fragen hat jüngst der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 20. Juli 2021, Az. VI ZR 533/20 geklärt. Nach Ansicht des BGH lässt nämlich auch die Weiterveräußerung des Fahrzeuges einen Schaden nicht entfallen. Daher stehen grundsätzlich Schadensersatzansprüche auch den vormaligen Eigentümern des Fahrzeuges zu. Eine klare Entscheidung des BGH, wann diese Schadensersatzansprüche verjähren, existiert jedoch bislang nicht. Der BGH scheint – so lässt sich dies einer Entscheidung aus Dezember 2020 entnehmen – davon auszugehen, dass es auf die Kenntnis der individuellen Betroffenheit ankommt, also der Kunde Kenntnis davon erlangt hat, dass sein Fahrzeug mit einem manipulierten Motor ausgestattet ist. Die meisten Halter sind im Jahre 2016 angeschrieben worden, weshalb eine Verjährung der Schadensersatzansprüche wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung zum 31. Dezember 2019 eingetreten sein dürfte.
Allerdings wäre dann von den Gerichten zu prüfen, ob noch ein sogenannter „Restschadensersatzanspruch“ aus § 852 BGB besteht. § 852 BGB bestimmt, dass auch nach Eintritt der Verjährung noch ein Anspruch auf Herausgabe des durch die sittenwidrige Tat „Erlangten“ besteht. Der BGH scheint grundsätzlichen von einer Anwendbarkeit des § 852 BGB in den „VW-Fällen“ auszugehen. Die überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung jedenfalls nimmt einen solchen Anspruch zumindest bei einem Neuwagenerwerb an.
Der Restschadensersatzanspruch aus § 852 BGB hat den Vorteil, dass er einer zehnjährigen Verjährung unterliegt. Nach aktueller Rechtsprechung diverser Oberlandesgerichte würde dies bedeuten, dass die Ersterwerber des Fahrzeuges heute noch Ansprüche geltend machen können auch dann, wenn sie das Fahrzeug zwischenzeitlich veräußert haben. Zudem dürften Ansprüche aus § 852 BGB denjenigen Kunden zustehen, welche die Fahrzeuge direkt von der Volkswagen AG erworben haben. Üblicherweise wurden die Kaufverträge zwischen dem Kunden und Volkwagen AG in den Fällen direkt geschlossen, in denen ein Sondernachlass (zum Beispiel: Schwerbehindertenrabatt) eingeräumt wurde. In diesen Fällen haben bereits mehrere Oberlandesgerichte einen Anspruch aus § 852 BGB gegen die Volkswagen AG angenommen.
Unabhängig von den Schadensersatzansprüchen im Zusammenhang mit dem EA 189-Motor bestehen auch Schadensersatzansprüche – zumindest gegen die Audi AG – im Zusammenhang mit den sogenannten 3-Liter-Motoren (V6-Motoren). Diese sind unter anderem in den Audi-Modellen A6, Q5, Q7 und SQ5 verbaut. Aber auch in Fahrzeugen der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG (Macan und Cayenne) sind die von der Audi AG entwickelten Diesel-Motoren verbaut. Da die meisten Kunden erstmals 2019 über die Betroffenheit Ihres Fahrzeuges von der Fahrzeugherstellerin informiert wurden, sind solche Ansprüche noch nicht verjährt und können auch heute noch erfolgsversprechend gerichtlich geltend gemacht werden. Bei den 3-Liter-Motoren (interne Bezeichnung EA 896 oder EA 897) haftet die Audi AG als Herstellerin des Motors. Bei Porsche-Fahrzeugen ist auch eine Haftung der Fahrzeugherstellerin nicht ausgeschlossen. Im Rahmen eines Kartellverfahrens wurde nämlich bekannt, dass sich die Volkswagen AG, die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG, die Audi AG, die Daimler AG und die BMW AG bezüglich der Größe von AdBlue-Tanks abgesprochen haben. Daher liegt der Verdacht nahe, dass die Porsche AG auch bei der Entwicklung der 3-Liter-Motoren mit der Audi AG zusammengearbeitet hat und an der vorgenommenen Manipulation der Motoren beteiligt gewesen ist. Sollten Sie also ein Fahrzeug aus dem Volkswagen-Konzern erworben haben, welches mit einem 3-Liter-Motor ausgestattet ist, stehen die Chancen auf Schadensersatz gut.
Gerne stehen wir Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche im Zusammenhang mit dem Abgasskandal (Volkswagen, Porsche, Audi, Skoda, Daimler und Fiat) zur Verfügung.
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