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Die Gewährleistungsansprüche beim Gebrauchtwagenkauf

Die Reform des Kaufrechts ist fast sechs Jahre in Kraft, trotzdem herrscht bei allen Beteiligten noch viel Unsicherheit über die neuen Bestimmungen. Die Reform hat dem Verbraucher als Käufer zusätzliche Rechte beschert, die sich jedoch in Folge von Unwissenheit und falscher Rechtsanwendung nicht selten als Nachteil oder zumindest erhebliche Erschwernis herausstellen. Beleuchtet werden soll hier der Rücktritt vom Kaufvertrag.

Auch wenn der Käufer eines mangelhaften Gebrauchtfahrzeuges die Hürden des Mangelnachweises und der mehrfachen Nacherfüllungspflicht genommen und den Rücktritt vom Kaufvertrag wirksam erklärt hat, ist er noch nicht aller Sorgen ledig. Während nämlich eine Kaufpreisreduzierung auch für den geringfügigen Mangel geschuldet ist, berechtigt ein solcher geringfügiger Mangel nicht zum Rücktritt vom Vertrag. Der Rücktritt und der daneben mögliche Schadenersatz knüpfen in erster Linie an die Pflichtverletzung an, die in der Lieferung der mangelhaften Sache liegt. Bei einer nur unerheblichen Pflichtverletzung sind diese Rechtsfolgen jedoch ausgeschlossen. Diese „Unerheblichkeit“ muss vom Verkäufer bewiesen werden. Da es aber im Prozess nicht selten zu einer sachverständigen Begutachtung kommt, weil der Umfang des Mangels und vor allen Dingen die zu seiner Beseitigung erforderlichen Kosten noch gar nicht zuverlässig bekannt sind, muss der Käufer zumindest damit rechnen, dass sich durch ein solches Gutachten der zur Beseitigung des Mangels erforderliche Aufwand als gering herausstellt oder den Nutzungswert des Fahrzeugs nicht erheblich beeinträchtigt. Ein solcher Befund kann dann überraschend dazu führen, dass aufgrund fehlender Erheblichkeit des Mangels der gewünschte Vertragsrücktritt unzulässig wird. Der Käufer kann sich nicht vom ungeliebten Fahrzeug trennen, sondern muss sich mit einer Minderung begnügen, z.B. dem Betrag, der für die Schadensbeseitigung erforderlich ist.

Es liegt auf der Hand, dass die streitenden Parteien die „Erheblichkeit“ ganz unterschiedlich definieren. Die Unsicherheit ist groß, weil die Rechtsprechung klare Grenzen bisher nicht gezogen hat, sondern zumeist auf den Einzelfall abstellt. Selbst bei Mängeln, die Ihrem Umfang nach bekannt und gar nicht mehr strittig sind, kann die Entscheidung des Gerichts oft nicht vorhergesagt werden. Immerhin hat der BGH für den Fall eines Neuwagenkaufes in einer Entscheidung vom 08.05.2007 – Az. VIII ZR 19/05 – eine durchaus wichtige Grenze gezogen. Der Käufer dieses Neufahrzeuges hatte festgestellt, dass sein Fahrzeug einen höheren Kraftstoffverbrauch hatte, als nach den Herstellerangaben zu erwarten war. Seine Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrages hat der BGH allerdings abgewiesen mit der Begründung, dass eine Abweichung des Kraftstoffverbrauches um weniger als 10 % gegenüber der Herstellerangabe nicht zum Rücktritt berechtigt. Als ebenfalls unerheblich für einen Neuwagenkauf haben die Gerichte z.B. eine Einstufung nach „ Euro 3″ statt wie vereinbart nach „Euro 4″ bei einem Leasingfahrzeug angesehen, einen fehlerhaften, nicht bündigen Türschluss bei einem zweitürigen Kleinwagen oder das verfrühte Aufleuchten der Tankleuchte. Als erheblich wurde der wiederholte Ausfall der Elektronik bei einem Mercedes-Benz CL 500 mit Tageszulassung angesehen, der zum Komplettabsturz des Infosystems führte, oder einen VW Passat, der mit Normalbenzin nicht fahrbar war, oder auch zahlreiche Elektronikmängel bei einem Mercedes-Benz E 270 CDI, die isoliert betrachtet geringfügig, in der Summe aber erheblich waren. Ähnlich unterschiedliche Entscheidungen gibt es für den Gebrauchtwagenkauf. Nicht erheblich waren bei einem Ford Fiesta Vorführwagen Karosserieschäden mit einem Reparaturkostenaufwand von weniger als 1 % des Kaufpreises, bei einem Renault Twingo ein mangelhaftes Reserverad und defekter Endschalldämpfer sowie erhöhte Abgaswerte im Leerlauf bei Reparaturkosten von weniger als 3 % des Kaufpreises oder Feuchtigkeit im Beifahrerfußraum eines Skoda Oktavia bei Reparaturkosten von 4,5 % des Kaufpreises. Erheblich hingegen waren bei einem Motorrad 49.000 Kilometer Laufleistung statt angegebener 30.000 Kilometer, Fehlfunktionen des Navigationssystems bei einem BMW 330d mit einem Kostenaufwand von mehr als 5 % des Kaufpreises oder Reparaturkosten von ca. EUR 800,00 bei einem als unfallfrei verkauften, aber tatsächlich nicht unfallfreien BMW Z3 sowie Wassereintritt im hinteren Karosseriebereich bei einem Mercedes-Benz 240.

Die Beispiele zeigen, dass die Rechtsprechung die Grenze der Erheblichkeit oft recht unterschiedlich, nicht immer nachvollziehbar, beurteilt. Insbesondere darf der Käufer bei einem behebbaren Mangel nicht davon ausgehen, dass eine starre Prozentgrenze des Mangelbeseitigungsaufwandes zum Kaufpreis als ausreichend angesehen wird. Gänzlich ungeklärt ist die Frage, wie bei nicht behebbaren Mängeln die Grenze der Erheblichkeit gezogen wird. Als Fazit kann den Beteiligten eines Gebrauchtwagenkaufes angesichts dieser Probleme nur dringend empfohlen werden, sich rechtzeitig der Hilfe eines versierten Verkehrsrechtsanwaltes zu bedienen.

Michael Zerfowski,
Fachanwalt für Arbeits- und Verkehrsrecht