Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen entschied mit Urteil vom 29. Juni 2024, Az. 4 Sa 531/23, dass ein grob fahrlässiger Verstoß gegen Sicherheitsanweisungen einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 BGB darstellen kann.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger war seit 1990 als Kranfahrer bei der Beklagten beschäftigt. Er war aufgrund des auf seinen Arbeitsvertrag anwendbaren Manteltarifvertrages für die Eisen- und Stahlindustrie ordentlich unkündbar. Der Kläger erhielt mehrere Abmahnungen, in welchen ihm vorgeworfen wurde, eine schwebende Last über einen Kollegen gefahren zu haben und zudem beim Steuern einer Stahlpfanne mit einer Absaughaube kollidiert zu sein, sowie einen schweren Gegenstand in einem Bereich abgestellt zu haben, der statisch nicht dafür geeignet gewesen sei. Im Oktober 2022 erfolgte eine weitere und letzte Abmahnung, nachdem der Kläger einen Kübel mit Schrott falsch handhabte und dadurch einen Sachschaden verursacht hatte.
Zwei Monate später kam es zum Vorfall, der den beklagten Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlasste. Dabei bewegte der Kläger einen Kran, ohne sich zu vergewissern, dass die Bahn frei war. Infolgedessen kollidierte er mit einem anderen, defekten Kran. Zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes arbeiteten Elektriker auf dem defekten Kran, welche durch den Zusammenstoß gefährdet wurden. Der Kläger teilte mit, dass er den Kran übersehen habe, nachdem ein Standortwechsel des Kranes erfolgt sei, über welchen er nicht informiert worden sei. Dabei räumte er jedoch ein, die Sicherheitsvorschriften missachtet zu haben. Sodann sprach die Beklagte eine außerordentliche Kündigung aus.
Der Kläger reichte Kündigungsschutzklage ein. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Der beklagte Arbeitgeber legte gegen das Urteil Berufung ein.
Die Berufung hatte Erfolg.
Das LAG entschied, dass die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet hat. Das Berufungsgericht führte aus, dass der Kläger grob fahrlässig gehandelt habe, indem er die Steuerung des Krans vorgenommen habe, ohne sich davor darüber vergewissert zu haben, dass die Fahrbahn des Krans frei gewesen sei. Dieses grob fahrlässige Missachten der Sicherheitsvorkehrungen stelle einen wichtigen Grund gemäß § 626 BGB dar. In diesem Zusammenhang betonte das Gericht vor allem, dass der Kläger als Kranführer eine besondere Verantwortung trage, da er schwere Lasten bewege, die bei unsachgemäßer Handhabung zu erheblichen Gefährdungen führen können.
In der Sache kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass der beklagte Arbeitgeber damit rechnen durfte, dass der Kläger ohne den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung auch in Zukunft elementare Verhaltensregeln und Arbeitsanweisungen nicht hinreichend beachten werde. Trotz der langen Betriebszugehörigkeit und der Abmahnungen habe der Kläger keine hinreichende Einsicht in sein Fehlverhalten.
Die Beklagte sei auch nicht gehalten gewesen, den Kläger auf einem anderen Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen. Dies käme lediglich dann in Betracht, wenn das Fehlverhalten des Klägers spezifisch an den bisherigen Arbeitsplatz gebunden sei. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt war das Verhalten des Klägers arbeitsplatzunabhängig. Grundlegende Sorgfaltspflichten müsse der Kläger auch an einem anderen Arbeitsplatz walten lassen.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist anhängig.
Die Entscheidung ist vor allem für Arbeitgeber von besonderer Bedeutung, da sie aufzeigt, wann auch bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern eine außerordentliche Kündigung möglich ist.