Ist eine tabellarische Beurteilung im Arbeitszeugnis zulässig?

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Ist eine tabellarische Beurteilung im Arbeitszeugnis zulässig?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 27. April 2021, Az. 9 AZR 262/20, entschieden, dass ein Zeugnisanspruch des Arbeitsnehmers nach § 109 GewO nicht erfüllt wird, wenn die Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers in einer an ein Schulzeugnis angelehnten tabellarischen Darstellungsform beurteilt werden.

In dem zu entscheidenden Fall stritten die Parteien über den Inhalt und die Form eines Arbeitszeugnisses. Der Kläger war bei der Beklagten ab dem 1. September 2008 bis zum 30. Juni 2018 beschäftigt. Die Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin unter dem 30. Juni 2018 ein Arbeitszeugnis. Dabei wurden die Eingangsformulierung und die Aufgabenbeschreibung in einem Fließtext verfasst. Die Beurteilung der Leistung und des Verhaltens des Arbeitnehmers wurde hingegen tabellarisch nach stichwortartigen, mit Schulnoten versehenen Bewertungskriterien dargestellt.

Während das Arbeitsgericht der Klage teilweise stattgab, das Landesarbeitsgericht (LAG) in der Berufungsinstanz die tabellarische Darstellung für zulässig erachtete, gab das BAG der Revision des Klägers statt, verwies die Sache an das LAG zurück und entschied, dass die Beklagte ihren Beurteilungsspielraum im Rahmen der Erteilung des Arbeitszeugnisses hinsichtlich der Leistungs- und Verhaltensbeurteilung überschritten hatte.

Laut Ansicht des BAG genügt die tabellarische Darstellung und Bewertung der Leistung und des Verhaltens nach Schulnoten nicht den Anforderungen eines qualifizierten Zeugnisses nach § 109 GewO.

Hiernach steht einem Arbeitnehmer ein Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis zu, welches sich auf Leistung und Verhalten erstreckt. Weiter sieht § 109 Abs. 2 GewO vor, dass das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein muss und keine Merkmale oder Formulierungen enthalten darf, welche den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Der Arbeitgeber muss das Zeugnis wohlwollend verfassen. Die Formulierungen und Ausdrucksweisen stehen in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Dem Arbeitgeber steht insofern ein Beurteilungsspielraum zu. Letzteren hatte die Beklagte im vorliegenden Fall überschritten.

Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis ist eine individuelle, auf den einzelnen Arbeitnehmer zugeschnittene Beurteilung, welche die persönliche Leistung und das Verhalten dokumentieren soll. Diesen Anforderungen wird in der Regel nur durch einen individuell abgefassten Text entsprochen. Im streitgegenständlichen Fall wurde die Beurteilung lediglich stichwortartig in tabellarischer Form vorgenommen. Dies hatte zur Folge, dass der Zeugnisleser dem Arbeitszeugnis keine Gewichtung der Leistungen und Eigenschaften des Arbeitnehmers entnehmen konnte, da sämtliche Bewertungskriterien gleichrangig nebeneinander aufgeführt und nur mit Schulnoten bewertet wurden. Prägende Merkmale verloren dabei ihre Bedeutung. Auch konnte dadurch die gebotene Individualisierung der Leistungs- und Verhaltensbeurteilung nicht erreicht werden, da – so führte das BAG aus – individuelle Hervorhebungen in der Regel nur durch ein im Fließtext formuliertes Arbeitszeugnis möglich seien, welches sodann als Bewerbungsunterlage dienen könne.

Das streitgegenständliche Zeugnis hatte demnach nicht die Anforderung an ein qualifiziertes Zeugnis erfüllt.

In diesem Zusammenhang hat das BAG nochmals betont, dass § 109 GWO keinen Anspruch auf ein „gutes“ oder „sehr gutes“ Zeugnis begründe, sondern lediglich einen Anspruch auf ein leistungsgerechtes Zeugnis, sodass den Arbeitnehmer die Darlegungslast für eine überdurchschnittliche Beurteilung trifft.

Arbeitszeugnisse dienen als Bewerbungsunterlage und sind mitbestimmend für das berufliche Fortkommen, sodass eine Überprüfung dieser von erheblicher Bedeutung ist.