Private Nutzung einer Tankkarte – außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses droht
Die private Nutzung einer Tankkarte entgegen den Regelungen einer Dienstwagenrichtline kann auch ohne vorherige Abmahnung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Dies entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen in seinem Urteil vom 29. März 2023, Az. 2 Sa 313/22.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger war bei der Beklagten seit dem Jahr 2011 im Vertrieb tätig. Im Rahmen des Arbeitsverhältnisses wurde dem Kläger ein Dienstwagen, welchen er auch privat nutzen durfte, zur Verfügung gestellt. Die Dienstwagenrichtlinie sah vor, dass überlassene Dienstwägen bei Dienstreisen einzusetzen sind und von der Arbeitgeberin die Betriebs- und Reinigungskosten (Kraftstoff, Öl) getragen werden. Der Kläger erhielt bei Aushändigung des Dienstwagens zwei Tankkarten. Die Karten nutze dieser unstreitig in zahlreichen Fällen, um seine privaten Fahrzeuge zu betanken. In einem weiteren Fall setzte er die Karte ein, um eine Cabrio-Pflege an seinem Privatfahrzeug vorzunehmen. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Der Kläger wehrte sich dagegen mit einer Kündigungsschutzklage.
Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Das LAG hob das Urteil hingegen auf und wies die Klage als unbegründet zurück.
Das LAG stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Arbeitgeberin beendet worden war. Die außerordentliche Kündigung erfordert einen wichtigen Grund. Dieser ist dann gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Erforderlich ist zunächst eine Prüfung dahingehend, ob der Sachverhalt typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Sodann ist die Frage zu stellen, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der Umstände und Abwägung beiderseitiger Interessen jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar war oder nicht.
Dabei führte das LAG aus, dass ein wichtiger Grund nicht nur eine erhebliche Verletzung der vertraglichen Hauptleistungspflichten darstellen könne, sondern auch eine Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten. Das Gericht stellte fest, dass der Sachverhalt einen wichtigen Grund darstelle. Der Kläger habe weisungs- und pflichtwidrig Tankkarten zur Betankung und Pflege seiner Privatfahrzeuge genutzt. Dadurch sei der Beklagten ein Schaden in Höhe von insgesamt EUR 2.801,04 entstanden. Indem der Kläger die Tankbelege eingereicht habe, ohne darauf hinzuweisen, dass es sich um Abrechnungen für sein Privatfahrzeug gehandelt habe, habe er die Beklagte getäuscht. Es handele sich dabei um eine Verletzung vertraglicher Pflichten in erheblicher Weise.
Zudem hat das Gericht festgestellt, dass die Kündigung keiner vorherigen Abmahnung bedurfte.
Grundsätzlich ist bei verhaltensbedingten Kündigungen, welcher ein steuerbares Fehlverhalten zugrunde liegt, eine Abmahnung erforderlich. Dies jedenfalls dann, wenn damit gerechnet werden kann, dass die Abmahnung zu einem vertragsgemäßen Verhalten in der Zukunft führen wird und das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wieder hergestellt werden kann. Eine Abmahnung ist dann entbehrlich, wenn es sich um schwerwiegende Pflichtverletzungen handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei welchen eine Duldung durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist.
Das LAG führte aus, dass es aufgrund der Schwere der Pflichtverletzungen keiner Abmahnungen bedurfte. Der Kläger habe planvoll und zielgerichtet gehandelt. Aufgrund der Häufigkeit der unzulässigen Nutzung liege auch kein Flüchtigkeitsfehler oder ein einmaliger Ausrutscher vor. Eine Wiederherstellung des Vertrauens sei durch eine Abmahnung nicht denkbar.
Auch bei der abschließenden Interessensabwägung gelangte das LAG zu dem Ergebnis, dass die Kündigung gerechtfertigt war.
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