Unwirksame Mehrwertsteuerklausel in Kaskoversicherungsbedingungen
BGH, Urteil vom 24.05.2006 – IV ZR 263/03; veröffentlicht in VersR 2006, 1066.
Die Kaskoversicherungsbedingungen vieler Verbraucher enthalten die Bestimmung, dass Mehrwertsteuer im Schadensfalle nur ersetzt wird, wenn der Versicherungsnehmer (VN) diese tatsächlich, bspw. bei der Reparatur des Fahrzeuges oder dem Fahrzeugwiederbeschaffungskauf, bezahlt.
Hierzu hat der BGH entschieden, dass solche Vertragsklauseln gegen das sog. Transparenzgebot von § 307 BGB verstoßen, wenn der VN nicht deutlich erkennen kann, dass bei einer Ersatzbeschaffung die Erstattung der dafür gezahlten Mehrwertsteuer ausgeschlossen sein soll.
Im Streitfall hatte der VN sein Fahrzeug kaskoversichert und nach einem Schadensfall den PKW unrepariert veräußert und ein neues Fahrzeug erworben. Der Versicherer kürzte die Entschädigung unter Berufung auf die Mehrwertsteuerklausel. Die Klage des VN gegen diese Regulierung wurde abgewiesen.
Daraufhin verlangte ein Verbraucherschutzverein von der Versicherung, es zu unterlassen, bei Verträgen mit Verbrauchern über eine Kaskoversicherung die Klausel „die Mehrwertsteuer ersetzt der Versicherer nur, wenn VN diese tatsächlich bezahlt hat“ oder eine inhaltsgleiche Klausel zu verwenden. Die Unterlassungsklage hat das Landgericht abgewiesen. Das OLG hat ihr stattgegeben. Die Revision hatte keinen Erfolg. In der Entscheidungsbegründung führt der BGH aus, dass die Klausel gegen das Transparenzverbot (§307 Abs. 7 S. 2 BGB) unwirksam ist, denn der Verwender von allgemeinen Versicherungsbedingungen sei nach Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Insbesondere müssen Nachteile und Belastungen insoweit erkennbar werden, wie diese nach den Umständen gefordert werden kann.
Im Streitfalle konnte nach Auffassung des BGH nicht erkennen, dass er bei einer wirtschaftlich vernünftigen Ersatzbeschaffung, die bei ihm zu keiner Besserstellung durch fiktive Mehrwertsteuer und für den Versicherer zu keinem Nachteil führt, eine deutliche Einbuße erleiden kann. Auch aus dem Prozessvortrag der beklagten Versicherung hat der BGH geschlossen, dass die den VN treffenden Nachteile oder ihm zustehende Rechte in den Bedingungen nicht klar und durchschaubar dargestellt waren.
Mit dieser Entscheidung hat der BGH einen seit langem andauernden Streit um die Mehrwertsteuerklausel geklärt, wobei er nicht der überwiegenden Meinung gefolgt ist, welche die Klausel für wirksam hielt, sondern der Auffassung des OLG Karlsruhe, welche die Klausel für unwirksam hält.
Umsetzung in der Praxis:
Die Entscheidung zeigt, dass in jedem Schadensfall geprüft werden muss, ob die Entschädigungsregelung der Versicherungsbedingung inkl. Mehrwertsteuerklausel den Kriterien der BGH-Entscheidung entspricht.
Möglich und nicht auszuschließen ist, dass die Versicherer die beanstandete Klausel in ihren Versicherungsbedingungen zukünftig ändern und den Anforderungen der Rechtsprechung entsprechend umformulieren, um Transparenz herzustellen. Dies wäre nicht ungewöhnlich, zumal die Kaskoversicherungsbedingungen nach entsprechenden BGH-Entscheidungen zu Restwertanrechnung und der Erstattung von Sachverständigenkosten bereits geändert worden sind.
Was aus der Entscheidung ebenfalls folgt, ist die Lehre, dass es angeboten ist, die Kaskoregulierung seiner Versicherung kritisch zu prüfen und bei unterschiedlicher Auffassung Rechtsrat bei einem Spezialisten, nämlich dem Fachanwalt für Versicherungsrecht, einzuholen.
Peter Schäufele
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht
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