Verweisungsklausel im Rahmen der Berufsunfähigkeitsversicherung nur bei Zumutbarkeit des Berufswechsels für den Versicherungsnehmer
Das OLG Karlsruhe hatte mit Beschluss vom 6. Mai 2020 – 9 U 54/18 über die Frage zu entscheiden, ob einem selbstständigen Kfz-Meister, der sich in 20 Jahren einen kleinen Kfz-Reparaturbetrieb aufgebaut hat es zumutbar sei, nach der Diagnose eines Pankreaskarzinoms in eine abhängige Beschäftigung als Angestellter zu wechseln, wenn er trotz einer schlechten Gesundheitsprognose noch auf eine Heilung und eine Weiterführung seines Betriebs hofft.
In Berufsunfähigkeitsversicherungsverträgen werden regelmäßig sogenannte Verweisungsklauseln vereinbart. Danach besitzt der Versicherer die Möglichkeit, den Versicherungsnehmer abstrakt auf eine andere, von ihm nicht ausgeübte Berufstätigkeit zu verweisen, welche mit seiner Erkrankung noch ausgeübt werden könnte. Folge der Verweisung ist, dass trotz einer Berufsunfähigkeit im tatsächlich ausgeübten Berufsbild für den fiktiv angenommenen Beruf der Fall einer Berufsunfähigkeit nicht mehr vorläge und dem Versicherungsnehmer somit kein Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente zustünde. Dabei ist jedoch anerkannt, dass der Versicherer nicht grenzenlos bei seiner Verweisungsmöglichkeit agieren kann. Vielmehr muss der Verweisungsberuf den Kenntnissen und Fähigkeiten, der Ausbildung und Fähigkeiten sowie der sozialen Wertschätzung unter Berücksichtigung der bisherigen Lebensstellung entsprechen. Um nur einige Beispiele zu nennen, wurde in der Rechtsprechung bereits entschieden, dass ein Lockführer beispielsweise auf eine Tätigkeit im Innendienst oder in Ausbesserungs- und Wartungswerken verwiesen werden kann. Ein Zimmermanngeselle konnte auf den Beruf des Fachverkäufers für Holz, sofern er im Rahmen seiner beruflichen Ausbildung auch kaufmännische Erfahrung gesammelt hat, verwiesen werden. Eine Absage erteilte die Rechtsprechung der Versicherung hingegen im Fall einer Bäckermeisterin, die nur in der Berufsschule kaufmännische Grundkenntnisse erwarb und nicht im kaufmännischen Bereich des Bäckerbetriebs tätig gewesen ist. Sie konnte nicht auf eine Bürotätigkeit verweisen werden.
Im konkreten Fall entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe, dass der Verweis eines selbstständigen Kfz-Meister auf ein Anstellungsverhältnis nicht zumutbar wäre. Dabei stellte das Gericht heraus, dass eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist, welche insbesondere die individuellen Umstände, nämlich das Pankreaskarzinom, zu berücksichtigen hat. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass sich der hiesige Kläger seit 1992 sein kleines Unternehmen als selbstständiger Kfz-Meister aufgebaut hatte.
Damit ist festzuhalten, dass die Frage der Verweisung immer eine Einzelfallentscheidung darstellt. Sollten Sie von Ihrem Versicherer auf einen Alternativberuf verwiesen werden, sollte dies nicht ohne anwaltliche Prüfung akzeptiert werden.
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