Betriebsschließungsversicherung und Corona – kann ein mit der Versicherung geschlossener Abfindungsvergleich etwa angefochten werden?

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Betriebsschließungsversicherung und Corona – kann ein mit der Versicherung geschlossener Abfindungsvergleich etwa angefochten werden?

Im Rahmen der „ersten“ Corona-Welle im Frühjahr des Jahres 2020 schlossen etliche Gastronomen mit ihrer Betriebsschließungsversicherung eine Vereinbarung nach dem sogenannten „bayerischen Modell“. Diese sah vor, dass gegen Zahlung eines meist nur geringen Betrages vereinbart worden ist, dass etwaige Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag mit Blick auf die Coronapandemie mit Abschluss der Vereinbarung abgefunden sind. Weiter sahen die Vereinbarungen in der Regel vor, dass sich die Parteien darauf geeinigt haben, dass Coronaviren nicht zu den Krankheiten oder Erregern im Sinne der §§ 6, 7 Infektionsschutzgesetz (IfSG) gehören.

Für viele Gastronomen stellt sich im Lichte der „zweiten“ und „dritten“ Welle der Coronapandemie nun die Frage, ob es Möglichkeiten gibt, von dieser Vereinbarung loszukommen, um weitere Ansprüche aus der Betriebsschließungsversicherung geltend machen zu können.

Soweit ersichtlich, befasste sich bislang lediglich das Landgericht Flensburg mit Urteil vom 17. Dezember 2020 – 4 O 143/20 mit jener Frage.

Im Ergebnis wies das Gericht die Klage des Gastwirtes ab. Das Gericht sah es nicht als erwiesen an, dass ein Anfechtungsgrund, beispielsweise aufgrund von Drohung oder wegen Irrtums, vorgelegen habe. Auch habe kein Fall des § 779 BGB vorgelegen, wonach ein Irrtum über die Vergleichsgrundlage vorgelegen haben könne. Schließlich half dem Gastronom auch ein Verweis auf die sogenannte „Krabbenfischerentscheidung“ des BGH, Urteil vom 7. Februar 2007 – IV ZR 244/07 – nicht weiter. Dort entschied der BGH, dass ein Versicherer, der eine ihm gegenüber seinem Kunden überlegene Verhandlungsposition ausnutzt, um die versicherungsvertraglichen Reche zu kürzen, sich aus dem Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben auf eine solche Vereinbarung nicht berufen könne.

Die aus Sicht der Gastronomen negative Entscheidung des Landgericht Flensburg wird von einigen Seiten – nicht zu Unrecht – kritisiert. Denn unter Verweis auf § 1a VVG muss sich ein Versicherer bei seiner Vertriebstätigkeit gegenüber dem Versicherungsnehmer stets ehrlich, redlich und professionell verhalten, sowie in dessen bestmöglichem Interesse handeln. Ob dies der Fall ist, wenn der Versicherer seinem Kunden im Rahmen der Vergleichsvereinbarung lediglich ein Bruchteil der ihm laut Vertrag zustehenden Entschädigung zubilligt, darf bezweifelt werden. Folglich wird es bei der Entscheidung des Landgericht Flensburg hinsichtlich der entscheidenden Frage, ob die einseitigen, zu Lasten der Gastronomen geschlossenen Vereinbarungen Bestand haben, sicherlich nicht sein Bewenden gefunden haben. Es darf als gesichert gelten, dass sich noch zahlreiche Gerichte mit der Frage, ob sich die Versicherungsnehmer mit derart geringen Vergleichsbeträgen abspeisen lassen mussten, beschäftigen werden.