Höhe des Pflichtteilsanspruchs bei bestrittenen Ansprüchen Dritter gegen den Nachlass – § 2313 BGB
Das OLG Koblenz hat mit Beschluss vom 14.08.2020 – 12 W 173/20 zu der interessanten Frage Stellung genommen, ob sich ein Pflichtteilsberechtigter den Einwand entgegenhalten lassen muss, dass gegen den Nachlass durch einen Dritten eine von dem Erben bestrittene Forderung geltend gemacht wird. Das Gesetz regelt diese Frage in § 2313 BGB.
Für den Erben, der den Pflichtteilsanspruch zu erfüllen hat, ist die Situation misslich: Einerseits will er die gegen den Nachlass gerichtete Forderung des Dritten abwehren. Andererseits würde sich der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten reduzieren, wenn die Forderung des Dritten gegen den Nachlass berechtigt wäre. Solange dies offen und ungeklärt ist, kann sich jedenfalls der Pflichtteilsberechtigte zunächst auf den Standpunkt stellen, dass der Pflichtteil unter Außerachtlassung der Drittforderung bezahlt werden muss. Denn, so das OLG, wenn der Erbe den dem Grunde nach anerkannten Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch der Höhe nach noch nicht abschließend beziffern kann, weil gegen den Nachlass eine – vom Erben bestrittene – Forderung eines Dritten geltend gemacht wird, muss er trotzdem zunächst den unter Außerachtlassung der ungewissen Verbindlichkeit berechneten Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanpruch an den Berechtigten ausgleichen. Dies ist für den Erben deshalb problematisch, da er allein das Risiko trägt, ob sich ein späterer Rückforderungsanspruch gegen den Pflichtteilsberechtigten in Höhe eines überzahlten Betrages noch realisieren lässt. Mit anderen Worten kann es sein, dass der Erbe „doppelt zahlt“, einmal die Forderung an den Dritten, und überdies den „überhöhten“ Pflichtteil, der unter Umständen nicht mehr von dem Pflichtteilsberechtigten zurückzuerlangen ist.
Zur Begründung führt das OLG im Wesentlichen aus: Nach § 2313 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 BGB sind ungewisse Verbindlichkeiten bei der Feststellung des Wertes des Nachlasses außer Ansatz zu lassen. Die Klägerin hatte zum Zeitpunkt der Klageerhebung damit ihre Ansprüche weitgehend zutreffend beziffert und die Beklagte durfte zu diesem Zeitpunkt den klägerseits geltend gemachten Ansprüchen auch nicht die ungewisse Verbindlichkeit gegenüber dem weiteren Pflichtteilsberechtigten entgegenhalten (vgl. BGHZ 3, 394). Das Gesetz sieht insoweit eine eindeutige Risikoverteilung dahingehend vor, dass die Beklagte zunächst den unter Außerachtlassung der ungewissen Verbindlichkeit berechneten Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanpruch der Klägerin hätte ausgleichen müssen, um dann eventuell später – hätte sich die Forderung des weiteren Pflichtteilsberechtigten letztlich als bestehend herausgestellt – einen Rückforderungsanspruch in Höhe des überzahlten Betrages gegen die Klägerin geltend machen zu können (§ 2313 Abs. 1 S. 3 BGB). Das Risiko, dass sich dieser Rückzahlungsanspruch nicht mehr realisieren lässt, hätte dabei die Beklagte zu tragen gehabt (vgl. BGH, NJW 2011, 606).
Fazit: In solchen Fällen ist es dringend angezeigt, entsprechende Maßnahmen zu erörtern, um den Erben vor einer doppelten Inanspruchnahme im konkreten Einzelfall zu schützen.
Kategorien
- Abgasskandal
- Allgemeines Zivilrecht
- Arbeitsrecht
- Bank- und Kapitalmarktrecht
- Berufsunfähigkeitsversicherung
- Entscheidungsveröffentlichungen allgemein
- Entscheidungsveröffentlichungen SZH Rechtsanwälte
- Erbrecht
- Fahrzeugversicherung
- Familienrecht
- Gesellschaftsrecht
- Hausratversicherung
- Medizinschadensrecht
- Mietrecht
- Rechtsschutzversicherung
- Reiserecht
- Steuerstrafrecht
- Strafrecht
- Unkategorisiert
- Unternehmensnachfolge und Vermögensnachfolge
- Urheberrecht
- Verkehrsrecht
- Versicherungsrecht